Quick Fix
Immer wieder melden sich Patienten quasi als Notfall in einer Physiotherapiepraxis weil sie plötzlich erhebliche Schmerzen bekommen haben. Überwiegend handelt es sich dann um Wirbelsäulenbeschwerden wie „Hexenschuss“ oder schmerzhaft versteifte Halswirbelsäulen. Die Hoffnung bei Notfallterminen ist in der Regel, dass der Therapeut auf die Schnelle beispielsweise mittels einer Manipulation die Problematik kurzfristig bessern kann (Quick Fix). Wissenschaftliche Studien, also u.a. mit hinreichend großen Vergleichsgruppen und verblindet, zeigen dabei eindeutig, dass eine kurzfristige Besserung bei einem Notfalltermin gelegentlich gelingen kann, oder auch nicht, oder sich der Zustand sogar verschlimmert, Besserungen aber in aller Regel nur kurzfristig anhalten. Ein Teil der Patienten kommt also wiederholt in die Praxis weil die Behandlung ja „so toll geholfen“ hätte. Aus wirtschaftlicher Sicht sind solche Quick Fix Maßnahmen für eine Praxis daher durchaus interessant um sich Patineten als Selbstzahler zu erhalten. Es gibt beispielsweise Praxen, die für solche Behandlungen von teilweise nur 5 — 10 Minuten über 100 € nehmen. Aber im Sinne der Patienten sollte ein anderes Vorgehen gewählt werden.
Die Forschung zeigt, dass die häufig diagnostizierten oder vermuteten Blockaden von Wirbelgelenken, wegen denen meist Notfalltermine gebucht werden, so gar nicht existieren. Die Gelenke stehen vor und nach einer Behandlung nachweislich exakt in der selben Position. Der Laienbegriff, ein Wirbel wäre „ausgerenkt“ oder gar „herausgesprungen“ und müsse daher „eingerenkt“ werden, ist deshalb irreführend. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind dabei so eindeutig, dass selbst (zumindest manche) Manipulationsschulen das so auch nicht mehr lehren. Tatsächlich ist die vermeintliche Blockierung allein durch das zentrale Nervensystem (ZNS, Gehirn) verursacht und nicht mechanisch durch ein bestimmtes Gelenk. Eine Manipulation löst also einen Reiz an das ZNS aus, das die Blockierung dann kurzfristig wieder frei gibt, oder auch nicht, oder sich die Beschwerden sogar verschlimmern. Nur eine dieser drei Patientengruppen ist begeistert und glaubt an magische Hände, von den anderen Patienten mit weniger befriedigenden Ergebnissen wissen sie ja nichts. Aus dem beschriebenen Grund ist es auch egal ob eine Manipulation am betroffenen Gelenk oder an einem beliebig anderen ausgeführt wird, die „Erfolgsquote“ ist die gleiche, denn am Gelenk liegt die Beschwerdeursache schließlich nicht.
Davon abgesehen, dass im Zweifel unbedingt zu einem Arztbesuch geraten werden muss um eine gefährliche Ursache ausschließen zu können, kann in den meisten Fällen solchen Patienten grundsätzlich geraten werden, im möglichen Rahmen sich weiterhin zu bewegen, bis zu einem noch tollerierbaren Ausmaß auch in den schmerzenden Bereich hinein, Ruhe und Schonung sind eher nachteilig. In den aller meisten Fällen legen sich die Beschwerden nach einigen Tagen von selbst und zwar unabhängig davon ob behandelt wurde oder nicht. Es ist generell hilfreich, wenn die Patienten glaubwürdig darüber aufgeklärt werden können, dass es sich zwar um eine lästige und schmerzhafte, aber ungefährliche Symptomatik handelt. Das lindert Ängste und Sorgen und die können das Nervensystem „beruhigen“ und zur rascheren Besserung beitragen. Umgekehrt läuf es, wenn bei einem Hausarztbesuch gleich ein Facharzt (Orthopäde) hinzugezogen wird und dieser wiederum ein MRT verlangt. Das vermittelt dem Patienten dann schon den Eindruck er leide an einer dramatischeren Problematik. Noch schlimmer ist dann, wenn das MRT tatsächlich erhebliche Auffälligkeiten zeigt. Dann sind Patienten schnell sehr verunsichert. Aussagen wie „aber der Arzt hat doch gesagt…“ oder „ich habe auf den MRT Bildern doch gesehen…“ hört man in der Physiotherapie dann oft. Das Problem ist, dass Ärzte die Patienten in aller Regel nicht darüber aufklären, dass die gefundenen Auffälligkeiten normal sind, insbesondere auch bei Gesunden, und sich eher selten die Beschwerden der Patienten damit erklären lassen, so zumindets die aktuelle Forschung. Die durch solche ärztliche Maßnahmen verursachten Sorgen können jedenfalls die Beschwerden verschlimmern bzw. verlängern. Das Stichwort ist Nocebos, also das Gegenteil von Placebos. Man sollte dabei bedenken, dass es Ärzten bislang nicht möglich war in MRT Bildern Patienten von Gesunden grundsätzlich zu unterscheiden. Beide Gruppen zeigen im Mittel die gleichen Auffälligkeiten in bildgebenden Verfahren (Röntgen, MRT, CT), nur die einen haben Schmerzen, die anderen nicht.
Medical Coaching (MC)
Für die oben beschriebenen Fälle oder zur Vorbeugung ohne ärztliche Rezepte biete ich Medical Coaching an. Im Grunde berate ich Sie dabei zu meiner Einschätzung Ihrer Problematik und gebe Ihnen Empfehlungen mit.
Für eine tatsächlich hilfreiche Herangehensweise bedarf es allerdings etwas Zeit. Bei Interesse buchen Sie bitte online entweder 3 Termine a 20 Minuten Medical Coaching oder einmal 60 Minuten, all in one quasi. Damit sollte fürs erste ein guter Start möglich sein.
Das Medical Coaching besteht grundsätzlich aus 3 Teilen:
- Befragung und Untersuchung. Das Fachwort lautet „Assessment“ und ist zwingend erforderlich.
Sollte dabei auch nur der Verdacht aufkommen, es könnte sich möglicherweise um eine gefährliche Erkrankung handeln (Red Flags), muss umgehend an einen Arzt verwiesen werden. Das Coaching kann dann nicht fortgeführt werden. - Schulung und Aufklärung zu den Ergebnissen des Assessments. Das ist ebenfalls zwingend und entspricht den Empfehlungen der aktuellen Leitlinien bei den meisten orthopädischen Problematiken.
- Anleitung und Schulung zu konkreten Maßnahmen, Strategie der besten Herangehensweise und Motivierende Gesprächsführung.
Fix it
Ganz ähnlich verhält es sich auch mit „normalen“ orthopädischen Patienten. Die allermeisten erwarten, dass der Therapeut Hand anlegt und die Problematik behebt, ähnlich wie in einer Werkstatt. Das sehen auch (noch) die allermeisten Physiotherapeuten in Deutschland so, was im internationalen Vergleich als eine sehr rückständige Position angesehen wird, weil sie sich definitiv nicht mit aktuellen und belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen verträgt. Das wird sich bestimmt in den nächsten 10 — 20 Jahren deutlich ändern.
Die allermeisten orthopädischen Beschwerden, die nicht durch einen Unfall verursacht wurden, resultieren aus einer Art Überempfindlichkeit des Nervensystems, es hört quasi „die Flöhe husten“. Diese Überempfindlichkeit ist meist eine Folge des Lifestyles also Schlafgewohnheiten, erlebten Traumas, Stress privat oder beruflich usw. Insofern sollte im Lifestyle eine Änderung herbeigeführt werden wie Stressreduzierung, Schlafqualität bessern, Sport usw. Die (noch) übliche Erwartung, der Therapeut solle die Beschwerden im Wortsinn behandeln, also „weg machen“ (Fix It) ist nicht hilfreich. Scheinbar erzielte Besserungen durch manuelle Techniken sind nachweislich entweder nur kurzfristig oder zufällig und fördern Chronifizierungen, siehe Dauerpatienten.
Am besten ist Patienten geholfen wenn ihnen aufgezeigt wird, wie sie ein neues Element in ihr Leben bringen das den Körper zu einer Anpassungsreaktion veranlasst. Und im Zuge dieser Anpassung Voraussetzungen entstehen in denen die beklagten Beschwerden für das Nervensystem „nicht mehr nötig sind“ und vergehen. Ganz wichtig und an Erster Stelle steht dabei die Schulung des Patienten über die Zusammenhänge und wie er besagte neue Elemente in sein Leben einpflegen kann. Ein guter und günstiger Rat ist beispielsweise die Nutzung des verlinkten Fitnesskurses auf der Startseite. Entscheidend ist, dass der Patient selbst etwas ändert und nicht der Therapeut an ihm „herumfummelt“.
Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Wurden Ihre Fragen vollständig beantwortet?
Dann teilen Sie den Beitrag gerne mit Ihren Bekannten, Freunden und Kollegen!
Sind Fragen offen geblieben? Haben Sie eine andere Meinung?
0 Kommentare